Abs­tract für einen Bei­trag zur Herbst-Tagung 2017 der Sek­ti­on “Arbeits- und Indus­trie­so­zio­lo­gie” der DGS in Göt­tin­gen

In jüngs­ter Zeit wur­de erneut inten­si­ver über die Ent­wick­lungs­rich­tung der deut­schen Arbeits­be­zie­hun­gen dis­ku­tiert. Eine schil­lern­de Deu­tung prä­sen­tier­te in die­sem Zusam­men­hang Wolf­gang Stre­eck, der in den indus­tri­el­len Kern- und Export­sek­to­ren eine „Part­ner­schaft ohne Kon­flikt“ sieht, die sich ins­be­son­de­re nach 1990 her­aus­ge­bil­det habe. Die­se Dia­gno­se wird durch die kon­ven­tio­nel­le sozio­lo­gi­sche Sicht ins­be­son­de­re auf die Auto­mo­bil­in­dus­trie oder die Che­mi­sche Indus­trie bestä­tigt, der zur Fol­ge hier stark koope­ra­ti­ve Aus­hand­lungs­be­zie­hun­gen exis­tie­ren. Wäh­rend jedoch Ver­tre­te­rIn­nen des Kon­flikt- oder Sozi­al­part­ner­schafts­kon­zep­tes hier­in einen Aus­weis von Win-Win-Situa­tio­nen auf der Grund­la­ge fort­exis­tie­ren­der Kon­flik­te sehen, unter­streicht Stre­eck die Über­macht der Kapi­tal­sei­te. Kon­flik­te wür­den sei­tens der Gewerk­schaf­ten kaum mehr geführt, sie hät­ten es sich als Juni­or­part­ner auf dem Bei­fah­rer­sitz bequem gemacht.

Im vor­ge­schla­ge­nen Bei­trag soll an die­se Dis­kus­si­on ange­knüpft wer­den. Bei­de The­sen, so mein Argu­ment, erfas­sen ledig­lich einen Teil­aspekt der Aus­tausch­be­zie­hun­gen. Am ‚his­to­ri­schen Fall­bei­spiel der deut­schen Auto­mo­bil­in­dus­trie‘ soll dies ver­deut­licht wer­den. Tat­säch­lich, so die lei­ten­de Annah­me, hat sich hier ein Funk­ti­ons­wan­del der Arbeits­be­zie­hun­gen voll­zo­gen, der nur dann sicht­bar wird, wenn unter­neh­mens­be­zo­ge­ne stra­te­gi­sche Deu­tun­gen von Akteu­ren der indus­tri­el­len Bezie­hun­gen im Zusam­men­hang mit Ratio­na­li­sie­rungs­pro­zes­sen und deren sich wan­deln­den sozio­öko­no­mi­schen Umwelt­be­din­gun­gen betrach­tet wer­den. Was sich seit den 1980er Jah­ren her­aus­ge­bil­det hat, ist ein neu­ar­ti­ges Arbeits­be­zie­hungs­re­gime, das in Anleh­nung an Micha­el Bura­woy als „Hege­mo­nia­ler Markt-Des­po­tis­mus“ bezeich­net wer­den kann. Mana­ge­ri­el­le Par­ti­zi­pa­ti­ons­an­ge­bo­te einer­seits, die­se ein­he­gen­der Markt­druck ande­rer­seits lie­ßen Beleg­schafts­re­prä­sen­tan­ten im Lau­fe der Zeit zu „Ratio­na­li­sie­rern in Eigen­re­gie“ wer­den – Kon­flik­te ver­schwin­den gleich­wohl nicht, sie wer­den aller­dings im Rah­men einer ‚sozi­al nach­hal­ti­gen Wett­be­werbs­stra­te­gie‘ der Betriebs­rä­te durch­ge­foch­ten.

Im vor­ge­schla­ge­nen Bei­trag sol­len zunächst die Kon­tu­ren der lau­fen­den Debat­te umris­sen wer­den. Dabei wer­den die impli­zi­ten und expli­zi­ten „his­to­ri­sie­ren­den Bezug­nah­men“ her­aus­ge­ar­bei­tet und die theo­re­ti­schen und metho­do­lo­gi­schen Annah­men dar­ge­stellt, von denen die ein­zel­nen Bei­trä­ge aus­ge­hen, um Kon­ti­nui­tät oder Wan­del der Arbeits­be­zie­hun­gen zu ana­ly­sie­ren. Ste­hen eher Insti­tu­tio­nen, Stra­te­gien der Akteu­re oder sozio­öko­no­mi­sche Umwelt­be­din­gun­gen im Zen­trum der Über­le­gun­gen? Wel­che Wech­sel­wir­kun­gen wer­den betrach­tet, wel­che Fol­gen für die Qua­li­tät der Arbeits­be­zie­hun­gen ange­nom­men?

Auf die­ser Basis soll aus einem lau­fen­den For­schungs­pro­jekt berich­tet wer­den, das sich mit der Geschich­te von Ratio­na­li­sie­rungs­pro­zes­sen, Arbeits­kon­flik­ten und Arbeits­be­zie­hun­gen in der deut­schen Auto­mo­bil­in­dus­trie zwi­schen 1980 und 2005 aus­ein­an­der­setzt. Die empi­ri­sche Basis bil­det eine Längs­schnitt­se­kun­där­ana­ly­se qua­li­ta­ti­ver Daten (Inter­views mit Mana­gern und Betriebs­rä­ten), die zwi­schen 1980 und 2005 am SOFI gesam­melt wur­den. Ergänzt wer­den sie durch Zeit­zeu­gen­in­ter­views und Do-kumen­ten­ana­ly­se. Drei Punk­te sol­len adres­siert wer­den:

(1) Aus­ge­hend von der lau­fen­den Dis­kus­si­on: Wel­che theo­re­tisch-kon­zep­tio­nel­len Über­le­gun­gen lie­gen dem Pro­jekt zu Grun­de? (2) Wie wird die Längs­schnitt­ana­ly­se durch­ge­führt? (3) Wel­che ers­ten Befun­de (sie­he The­se) zeich­nen sich ab, die zur lau­fen­den Debat­te bei­tra­gen kön­nen?