Das arbeitslose Subjekt

Das arbeitslose Subjekt 2025-02-12T10:27:22+00:00

In der historischen Studie „Das arbeitslose Subjekt“ wurde Arbeitslosigkeit in Großbritannien und der Bundesrepublik seit den 1970er-Jahren bis 1990 untersucht. Im Vergleich der wohlfahrtsstaatlich unterschiedlich aufgestellten Länder wurde nach Gemeinsamkeiten und Unterschieden in der Regierung, Verwaltung und Erfahrung von Arbeitslosigkeit gefragt.
Der Ansatz der „Subjektivierung“ erlaubte es, die Problemlagen von Arbeitslosen in ihren breiten gesellschaftlichen Zusammenhängen zu situieren und die heterogenen Effekte einer allgemeinen sozialen Zuschreibung zu konstatieren. Dieser im weiteren Sinn akteurszentrierte Ansatz erforderte zeitgenössisches Quellenmaterial, das Aussagen darüber enthielt, wie Arbeitslose sich zu ihrer eigenen Arbeitslosigkeit verhalten haben. Das Primärmaterial sozialwissenschaftlicher Studien war hierfür hervorragende Quellenbasis. Für das deutsche Fallbeispiel wurden u.a. Primärmaterialien von SOFI-Projekten zur Arbeitslosigkeit der 1980er-Jahre ausgewertet. Im Wesentlichen geschah dies in drei Schritten. Zum einen wurden die qualitativen Interviews der Studien im Hinblick auf Fragestellungen und Problemlagen der historischen Forschung (u.a. die Beratungsvorgänge auf dem Arbeitsamt, die Dynamiken sozialer Mobilität von Arbeitslosen, ihre soziokulturellen Orientierungen oder der Umgang mit geringer Qualifikation) ausgewertet. Vor allem konnte das Selbstverhältnis von Arbeitslosen in diesen Situationen und unter Berücksichtigung des zeitgenössischen soziologischen Frageinteresses dicht beschrieben und analysiert werden. Zum zweiten konnten die sozialwissenschaftlichen Analysemuster von Arbeitslosigkeit in differenten sozialen Situationen innerhalb dieser Kontexte historisiert werden. Schließlich wurden in einem dritten Schritt die arbeitssoziologischen Momentaufnahmen der Einzelstudien durch die Einbeziehung weiterer Sekundäranalysen sowie Archivalia anderer Provenienz systematisch in einer Längsschnittperspektive neu kontextualisiert, sodass fallstudienübergreifende Aussagen zu den untersuchten Themenfeldern (Verwaltung, soziale Mobilität etc.) möglich waren. Hierdurch wurde gleichfalls die historisierende Perspektive auf die sozialwissenschaftlichen Einzelstudien und ihre jeweiligen Fragestellungen und Methoden verstärkt.
In der Durchführung der Sekundäranalysen wurden insbesondere die Unterschiede in der Erhebung und Überlieferungsqualität von Primärdaten unterschiedlicher Datengeber deutlich, vor allem im Hinblick auf die unterschiedlichen wissenschaftlichen Traditionen der beiden Vergleichsländer bezüglich auf Erstellung und Bereitstellung qualitativer Daten. Wurden in der Bundesrepublik qualitative Studien, insbesondere zum Themenfeld Arbeitslosigkeit in den empirischen Sozialwissenschaften früher und häufiger durchgeführt als in Großbritannien, sind die vorhandenen Studien dort über das seit 1994 bestehende Portal des „UK Data Archive“ an der Universität Essex niedrigschwellig digital verfügbar und gängige Datengrundlage der zeithistorischen Forschung, insbesondere in der Alltagsgeschichte.