Harald Wolf: Auf der Suche nach der fragmentierten Arbeit. Über produktive Irritationen im Sekundäranalyselabor

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Harald Wolf: Auf der Suche nach der fragmentierten Arbeit. Über produktive Irritationen im Sekundäranalyselabor

Abstract für einen Beitrag zur Herbst-Tagung 2017 der Sektion „Arbeits- und Industriesoziologie“ der DGS in Göttingen:

Arbeitsteilung ist ein zentrales Thema der Arbeitssoziologie, und damit verbunden das der Kooperation. Der Beitrag versucht zu zeigen, dass beide Themen durch die Fragmentierung materieller wie immaterieller Produktionsprozesse (im Zuge von Auslagerung und Neuvernetzung von Arbeit) eine neue Aktualität gewinnen, die grundsätzliche theoretische Fragen aufwirft und eine entsprechende Neuakzentuierung der arbeitssoziologischen Analyse nahelegt.

Dieser Schluss ergibt sich aus den Erfahrungen mit der vor allem sekundäranalytisch angelegten Längsschnitt-Untersuchung „Fragmentierte Arbeit in der Automobilindustrie“, die der Autor z.Zt. im Rahmen des Forschungsverbundes „eLabour“ als Pilotprojekt durchführt. Projektziel ist es, die Entwicklungslinien fragmentierter Arbeit sowie die damit verbundene Neudefinition von Tätigkeits-, Kooperations- und Kontrollstrukturen und ihre arbeitsbezogenen wie interessenpolitischen Folgen nachzuzeichnen. Dies erfolgt auf Basis des empirischen Primärmaterials aus mehreren SOFI-Studien zur Arbeitsentwicklung in der Automobilindustrie, das vom „fordistischen Nullpunkt“ der Fragmentierung vor 1980 bis zu ihrem aktuellen „postfordistischen Fluchtpunkt“ reicht (hier ergänzt durch eigene Primärerhebungen).

Die reichen Primärmaterialien erlauben nicht nur die Rekonstruktion eines fordistischen (vertikal hochintegrierten) „Nullpunkts“ des Produktionssystems, der im starken Kontrast zur späteren Fragmentierung steht, sondern sie zeigen zugleich, wie eng der Fokus der damaligen „Arbeitsplatzsoziologie“ (Hack) dieser fordistischen Logik folgt und insbesondere die Kooperationsdimension von Arbeit fast völlig ausblendet. Diese fest einjustierte fordistischarbeitsplatzsoziologische Perspektive wurde in den folgenden Jahrzehnten (etwa im Rahmen der Untersuchung von Gruppenarbeit) zwar partiell gelockert, aber bis heute nicht überwunden.

Der zunehmenden Fragmentierung und den neuen über- bzw. zwischenbetrieblichen Vernetzungs- und Kooperationsbeziehungen wird die Arbeitsanalyse damit bis heute nicht wirklich gerecht. Die sekundäranalytische Suche nach der fragmentierten Arbeit legt solche analytischen Schwachstellen offen. Sie inspiriert zugleich zu einer Neuakzentuierung der arbeitssoziologischen Analysekategorien (speziell der Kategorie der Kooperation) und Methodik, die in Angriff genommen wurde und deren Umrisse skizziert werden. Damit präsentiert der Beitrag ein Beispiel für die Besonderheiten und den Nutzen qualitativer Sekundäranalytik: wie nämlich durch exploratives Experimentieren im Sekundäranalyselabor zunächst irritierende theoretische Probleme sichtbar werden und wie zugleich aber auch Beiträge zu ihrer Lösung entwickelt werden können.

 

Von | 2017-10-18T11:17:06+00:00 20. Juli 2017|Abstract, Sekundäranalyse|0 Kommentare