John Lütten, Jakob Köster: Prekarität und Alltagsbewusstsein – zur sekundäranalytischen Untersuchung von Gesellschaftsbildern

>>John Lütten, Jakob Köster: Prekarität und Alltagsbewusstsein – zur sekundäranalytischen Untersuchung von Gesellschaftsbildern

John Lütten, Jakob Köster: Prekarität und Alltagsbewusstsein – zur sekundäranalytischen Untersuchung von Gesellschaftsbildern

Über die subjektiven Verarbeitungsformen von Prekarisierung und Prekarität im individu­ellen Alltag und Lebenszusammenhang liegt mittlerweile einiges an empirisch unterlegten Erkenntnissen vor. Weniger bekannt hingegen ist, welchen Einfluss die Erfahrung von Prekarität auf Einstellungen etwa zu Politik, Gesellschaft und Zeitgeschehen hat. Zwar wird der mediale Diskurs etwa über die angebliche populistische Anfälligkeit der Under­dogs und Unterklasse medial einigermaßen breit geführt – die entsprechende empirische Forschung steht bislang jedoch größtenteils aus. Gibt es ein spezifisch konturiertes Gesellschaftsbild jener, die zum sogenannten ›Prekariat‹ gezählt werden?

Diese Frage untersucht das eLabour-Teilprojekt ›Das Gesellschaftsbild des Prekariats‹. Dazu werden qualitative Materialbestände der Jahre 2005 bis 2013 sekundäranalytisch auf Elemente und Bestandteile von Gesellschaftsbildern hin untersucht, und im Rahmen einer Nacherhebung werden zusätzlich knapp 70 Interviews mit sicher und prekär Beschäftig­ten, Erwerbslosen sowie Geflüchteten verschiedener Zonen sozialer Verwundbarkeit geführt. Darin zeigt sich, dass die Erfahrung sozialer Verunsicherung durchaus zu politischer Resignation, dem frustrierten Rückzug aus der (partei-)politischen Sphäre sowie mitunter einer Entkoppelung der eigenen Lebenswelt vom Geschehen der Mehr­heitsgesellschaft führen kann, die häufig in einer dichotomischen Gegenüberstellung von Volk und Eliten Ausdruck findet. Verbunden mit Vereinzelung und der Bejahung sozialer Selektionsmechanismen kann dies eine Haltung bedingen, die rechtspopulistisch gewendet werden kann – gleichwohl bestehen auch Möglichkeiten einer Politisierung von links.

Im Vortrag werden die Ergebnisse präsentiert und der spezifische Nutzen des sekundär­analytischen Vorgehens herausgestellt. Es eignet sich nicht nur zur Bearbeitung größerer Datenmengen und zur historisierenden Rückschau – der sekundäranalytische Blick in frühere Materialbestände macht es mitunter erst möglich, gegenwärtige Befunde einzu­ordnen und mögliche Linien ihrer Entwicklung zu verstehen.

 

Von | 2018-09-20T15:21:23+00:00 20. September 2018|Unkategorisiert|0 Kommentare